„Werte kann man nicht lehren, sondern nur vorleben.“
Viktor Frankl
1. Was sind Werte?
Werte sind die Grundsätze, nach denen eine Gesellschaft oder eine Menschengruppe ihr Zusammenleben ausrichtet oder ausrichten will. Der Begriff drückt dabei auch aus, dass die entsprechenden Vorstellungen und Ideen vom Zusammenleben als richtig und damit wertvoll angesehen werden. Das Verhalten der Menschen wird von Werten geleitet. Sie liefern ein Koordinatensystem, einen Kompass, an dem sich der Mensch orientieren kann und bilden die Grundlage für Entscheidungen (Frey, 2016). Erpenbeck und Sauter definieren Werte wie folgt: „Werte sind Ordner, welche die individuelle, psychische und gesellschaftlich‑kooperative sowie kommunikative menschliche Selbstorganisation bestimmen oder maßgeblich beeinflussen.“ (Erpenbeck & Sauter, 2019, S. 7). Einfacher ausgedrückt sind Werte prinzipielle Überzeugungen oder Ideale, die einer Person oder einer Gruppe von Personen wichtig sind und ihr Verhalten, ihre Entscheidungen und ihre Prioritäten beeinflussen. Wertesysteme sind die Gesamtheit dieser Werte, die das Verhalten und die Einstellungen einer Person oder einer Gesellschaft prägen.
Man könnte auch sagen, wir sind schlichtweg „wertegesteuert“. Werte können uns als Motivatoren dienen, unsere Ziele zu erreichen aber auch eine Art Schutzschild geben über Angriffen von außen fungieren (B. Schulz, 2015, S. 31).
Wer Klarheit über seine eigenen Werte hat, kann leichter in sich ruhen. Unsere Werte spiegeln wider, was uns im Leben wirklich wichtig ist (Stolze, 2019, S. 38). Außerdem wird man als authentisch und glaubwürdig wahrgenommen, wenn man sich seiner eigenen Werte bewusst ist und diese auch nach außen lebt. Zudem trifft man Entscheidungen selbstreflektierter und ist mit sich im Reinen. Werte geben Orientierung und Entscheidungshilfen. Wer Werte lebt, hat auch eine hohe Glaubwürdigkeit und erreicht seine Mitarbeitenden emotional (Schulz, 2017).
Einen empfehlenswerten Beitrag zum Thema Werte finden Sie im IAP Podcast "Psychologie konkret" von Ellen Gundrum im Interview mit Nicole Seiler (Gundrum & Seiler, 2023):
Werte – Leuchttürme der Orientierung im Leben — Psychologie konkret — Overcast
2. Abgrenzung von Bedürfnissen, Motiven und Persönlichkeitseigenschaften
Neben den Werten leiten und lenken unser Denken und Handeln auch unsere Bedürfnisse, Motive und Persönlichkeitsmerkmale (Frey, 2016, S. 7).
Doch wie unterscheiden sich Werte von Bedürfnissen, Motiven und Persönlichkeitseigenschaften?
Normen und Präferenzen
Während Werte eher abstrakte, wünschenswerte Handlungsleitlinien (z. B. wissbegierig sein) oder Zielzustände (z. B. weise werden) beinhalten, sind Normen konkreter und drücken konkrete Erwartungen aus. Beispielsweise wird der Wert Nachhaltigkeit durch die Norm „keine Einwegflaschen verwenden“ oder „Müll trennen“ ausgedrückt. Präferenzen sind aufgrund der Persönlichkeit und der Motive mit dem Begriff Werte verwandt. Hinter Präferenzen verbergen sich Vorlieben wie z.B. die Pflege von Hobbys etc. Es können sich aber auch abstraktere Werte im Sinne von wünschenswerten Zuständen dahinter verbergen, so dass die Übergänge fließend sind (Frey, 2016, S. 7).
Motive und Bedürfnisse
Wie bereits erwähnt, beeinflussen auch Motive und Bedürfnisse unser Handeln. Bedürfnisse können durch zwei verschiedene Arten von Motiven hervorgerufen werden, durch Defizit- und Wachstumsmotive: Zu den Defizitmotiven zählen Grundbedürfnisse (z. B. Essen, Trinken), Sicherheitsmotive (z. B. ein Dach über dem Kopf haben, einer Arbeit nachgehen), soziale Motive (z. B. soziale Bindungen zu Freunden oder Liebe) und Ich-Motive (z. B. Anerkennung suchen). Werden diese Motive nicht befriedigt, erlebt der Mensch einen Mangelzustand wie Hunger, Durst, das Gefühl, nicht gebraucht zu werden, einsam und kein wertvolles Mitglied der Gemeinschaft zu sein. Wachstumsmotive hingegen beschreiben das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung. Die Motive liegen somit tiefer und sind universeller. Ein und dasselbe Motiv kann sich in unterschiedlichsten Bedürfnissen ausdrücken. Bedürfnisse und meist auch Motive sind bewusst und kognitiv repräsentiert, so dass eine Metakommunikation über diese Konzepte möglich ist. Im Gegensatz dazu sind Werte nicht immer bewusst, was den Austausch über sie erschwert. Zudem können Bedürfnisse und Motive je nach Situation oder Lebensphase variieren, z. B. haben wir andere Bedürfnisse, wenn wir hungrig sind, als wenn wir satt sind, ebenso verändern sie sich von der Kindheit bis zum Erwachsenenalter (Frey, 2016, S. 8).
Persönlichkeit
Schwieriger ist es, Werte vom Begriff der Persönlichkeit abzugrenzen. Persönlichkeit wird in der Psychologie häufig anhand der »Big Five« (Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Offenheit für neue Erfahrungen, Verträglichkeit und Neurotizismus/emotionale Stabilität) charakterisiert. Die Persönlichkeit eines Menschen kann somit durch die jeweilige Ausprägung auf jedem dieser fünf Faktoren beschrieben werden. Sowohl die Persönlichkeit als auch die Werte eines Menschen sind über verschiedene Situationen und Lebensphasen hinweg stabil. Darüber hinaus kommen sowohl Werte als auch Persönlichkeit in den Handlungen der Menschen zum Ausdruck. Beispielsweise zeigt sich die Persönlichkeitseigenschaft „Gewissenhaftigkeit“ darin, dass eine Person in verschiedenen Situationen organisiert, sorgfältig, zuverlässig und überlegt handelt. Eine Person, der der Wert »Ehrlichkeit« wichtig ist, verhält sich ebenfalls in verschiedenen Situationen ehrlich. Die beiden Konzepte unterscheiden sich jedoch auch voneinander. Wie der Name schon sagt, beinhalten Werte eine Bewertung. Sie sind handlungsleitend, indem sie bestimmte Handlungsweisen als weniger wertvoll erachten als andere. Bei Werten führt die Konzentration auf einen Wert zur Vernachlässigung eines anderen, z. B. kann es für eine Person, die sehr „ehrlich“ ist, schwierig sein, im richtigen Moment ihre ehrliche Meinung aus „Respekt“ vor der anderen Person zurückzuhalten. Die Werte stehen also miteinander in Konflikt. Hingegen können verschiedene Persönlichkeitsmerkmale nebeneinander bestehen, z.B. kann eine Person sehr „gewissenhaft“ und gleichzeitig sehr „offen für neue Erfahrungen“ sein. Darüber hinaus sind die Unterschiede in der Persönlichkeit von Menschen weitgehend genetisch bedingt und über die gesamte Lebensspanne relativ stabil. Im Gegensatz dazu entstehen Werte durch Lernerfahrungen, die Umwelt und die ständige Anpassung an neue Situationen und Lebensumstände. Sie können durch Lebenskrisen geprägt und verändert werden. Persönlichkeitseigenschaften werden auch Verhaltenstendenzen genannt. Sie geben an, zu welchem Verhalten eine Person eher neigt, also „wie Menschen sind“. Im Gegensatz dazu ist ein Wert ein handlungsleitendes Prinzip, also das, „was Menschen wichtig finden“. Im Gegensatz zu Bedürfnissen, Motiven und Persönlichkeitsmerkmalen spielen Werte und Wertesysteme auch in der Gesellschaft eine entscheidende Rolle: Sie können Menschen verbinden, ihre Gruppenidentität stärken und so als Bindeglied zwischen Menschen wirken (Frey, 2016, S. 9).
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Frey (2016), S. 9)
Wenn Sie Interesse an einer Aufstellung Ihrer Werte haben, würde ich mich freuen, wenn Sie mit mir Kontakt aufnehmen (
Literaturverzeichnis
Erpenbeck, J., & Sauter, W. (2019). Wertungen, Werte – Das Buch der gezielten Werteentwicklung von Persönlichkeiten. Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-59115-4
Frey, D. (Hrsg.). (2016). Psychologie der Werte: Von Achtsamkeit bis Zivilcourage – Basiswissen aus Psychologie und Philosophie. Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-48014-4
Gundrum, E., & Seiler, N. (2023). Werte – Leuchttürme der Orientierung im Leben. https://soundcloud.com/user-889318751/werte-leuchtturme-der-orientierung-im-leben
Schulz, B. (2015). 30 Minuten Personality. GABAL.
Schulz, R. (2017). Authentisch und selbstbewusst handeln: Erkennen Sie, was Ihnen wirklich wichtig ist. https://coaches.xing.com/magazin/authentisch-und-selbstbewusst-handeln-erkennen-sie-was-ihnen-wirklich-wichtig-ist
Stolze, J. (2019). Ich will Führungskraft werden! Books on Demand.